Stewart Brand: „Das Ticken des langen Jetzt (Zeit und Verantwortung am Beginn des neuen Jahrtausends)“

Die Komposition „Organ Squared / As Slow As Possible“ oder auch: ORGAN²/ASLSP“ ist das längste Musikstück der Welt und wird seit dem 5. September 2001 ununterbrochen auf der Orgel in der Klosterkapelle in Halberstadt (Sachsen-Anhalt) gespielt. „ORGAN²/ASLSP“ wurde von 1987 von John Cage, einem der weltweit einflussreichsten Komponisten des 20. Jahrhunderts, geschrieben und dauerte bei der Uraufführung 29 Minuten und 15 Sekunden. Allerdings legte Cage fest, dass die Spielanweisung „… as slow as possible …“ (zu deutsch: „… so langsam wie möglich …“) durchaus bis aufs äußerste ausgereizt werden dürfe und so hat die Sache mit Halberstadt folgenden Hintergrund: Hier wurde in der St.-Burchardi-Kirche die erste Blockwerkorgel Deutschlands gebaut und dies genau 639 Jahre vor dem Start des Cage-Werkes. Deshalb ist das Stück nun so verlangsamt worden, dass es genau 639 Jahre andauert, bis es zu Ende geht. Damit wird am 5. September 2640 der letzte Ton von „Organ Squared / As Slow As Possible“ erklingen.

Stewart Brand wiederum ist Mitbegründer des Global Business Networks und Präsident der „The Long Now Foundation“ (www.longnow.org). Für die Gründung und Herausgabe des gedruckten „Whole Earth Catalog“, auf dessen Konzept später u.a. google seine digitale Übersicht aufbaute, erhielt er 1972 den National Book Award. HIER kann man erfahren, welche innovatoven Dinge er noch so alles ins Leben gerufen hat. Brand hat auch zahlreiche Bücher veröffentlicht, aus denen „Das Ticken des langen Jetzt (Zeit und Verantwortung am Beginn des neuen Jahrtausends)“ heraussticht, denn hieraus entwickelte sich die Idee, eine Uhr zu erfinden, die nur einmal im Jahr tickt, bei der erst nach einem Jahrhundert die Zeiger vorrücken und die zehntausend Jahre lang die genaue Zeit anzeigt. Eine Provokation, die die amerikanische Cyber-Elite ebenso faszinierte wie den britischen Musik-Avantgardisten und Erfinder der Ambient Music Brian Eno.

Im Buch geht es darum, was „Das Ticken des langen Jetzt“ bedeutet. Eine neue Zeitrechnung vielleicht, die sich der Beschleunigung, die in allen Bereichen der gegenwärtigen Zivilisation zu konstatieren ist, eine Verlangsamung der Zeit entgegengestellt? Doch das visionäre Projekt beschränkt sich gedanklich nicht allein auf die Uhr an sich: Das „Gehäuse“ der Uhr soll auch eine Bibliothek beherbergen, die für die kommenden zehntausend Jahre die wesentlichsten Dokumente der ersten zehntausend Jahre der Menschheitsgeschichte bereitstellt. Uhr und Bibliothek, Zeit und Archiv sind die Mythen des letzten Jahrtausends, die als Leitlinien auf dem Weg ins nächste Millennium dienen sollen.

Fazit: Mit ganz einfachen Gedankenspielen gelingt es dem Autor, seine Leserinnen und Leser in eine langfristige Gedankenperspektive zu entführen.

Hinweis: Ursprünglich veröffentlicht am 15. November 2022 auf dem VE.RA Blog!

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