Robert Silverberg: „Thorns (Der Gesang der Neuronen)“

Silverberg, Jahrgang 1935, war in seiner Kindheit und Jugend nach eigenen Angaben „ein unersättlicher Leser“ und bemühte sich ab Anfang der 1950er Jahre, seine phantasievollen Erzählungen in Science-Fiction-Magazinen zu veröffentlichen. Obwohl er an der Columbia University das Studium der englischen Literatur mit einem B.A. abschloss, blieb er der Science-Fiction treu und veröffentlichte 1955 sein erstes Werk, ein Kinderbuch mit dem Titel „Revolte auf Alpha C“. Auch für ihn überraschend wurde er dafür 1956 mit dem renomierten Hugo-Award als „bester neuer Autor“ ausgezeichnet. Doch als zum Ende der 1950er Jahre der US-Markt für Science-Fiction Werke einbrach, versuchte Silverberg das literarische und inhaltliche Niveau seiner SF-Geschichten zu heben, schenkte ihnen Charaktertiefe und sozialem Hintergrund, angereichert durch moderne Literatur-Elemente, wie er sie an der Columbia gelernt hatte.

Bis zum Ende der 1960er Jahre gelangen ihm so viele herausragende Werke der Science-Fiction Literatur, darunter der Roman „Thorns“ (zu deutsch: „Dornen“), den die Übersetzerin Elke Kamper unter kongenialem Bezug auf Homers Odyssey in „Der Gesang der Neuronen“ umwandelte, wobei sie Bezug auf die Bemerkung „Schmerz ist lehrreich“ nahm, mit der Robert Silverbergs Buch beginnt und endet. Darin geht es um die Freizeitgesellschaft der menschlichen Zukunft, die hauptsächlich vor dem Fernsehmonitoren stattfindet. Gegen die Langeweile erschafft eine ebenso gigantische wie unersättliche Medienindustrie immer ausgefallenere und perversere Sensations-Shows. Auch Duncan Chalk, Boss eines marktbestimmenden Vergnügungskonzerns, inszeniert Leid und Schmerz seiner Mitmenschen.

„Zufällig“ bringt er Burris, einen Mann, der fremde Organe im Körper hat, die ihm unsägliche Schmerzen bereiten, mit der 17-jährigen Kelvin zusammen, die als Versuchskanninchen gewissenloser Mediziner bereits Mutter von rund einhundert Kindern ist, aber keines behalten darf. Beider Psychen vermischt er und lässt Millionen von Fernsehzuschauern die beiden geschundenen Kreaturen rund um die Uhr beobachten. Um sein Ziel zu erreichen, verspricht Chalk Burris eine vollständige Operation und Behandlungen, um die Schmerzen zu beenden, und Kelvin die Adoptuon eines ihrer Babys, wenn beide zustimmen, eine für die ZuschauerInnen kostenpflichtige Tour durch das Sonnensystem zu unternehmen.

Zunächst genießen Burris und Kelvin die Gesellschaft des anderen, werden sogar ein Liebespaar, da er gerne den männlichen Beschützer und Mentor des naiven Teenagers spielt. Doch die Zuneigung schlägt schon bald in Feindseligkeit und Hass um – all das ein psychisches Echtzeit-Festmahl, das Chalk den ZuschauerInnen serviert. Als der Medienboss einem besonders bösartigen Kampf der beiden als Vorwand nutzt, um die Vereinbarungen aufzuheben, erkennen sie, dass Chalks Versprechen leer waren und die zugesicherte Hilfe wohl niemals möglich war. Ebenso wie Odysseus vom Gesang der Sirenen fasziniert war, waren es Kelvin und Burris von den Zusicherungen Chalks. Nur zu gern willigten sie deshalb in seinen Plan ein und versuchten so, sich von den Fesseln ihrer Existenz zu befreien, doch (… siehe oben …) „Schmerz ist lehrreich“.

Wer anspruchsvolle, tiefgründige Science Fiction Literatur sucht, dem sei dieses Buch empfohlen, das ich bereits 1972 als Ausgabe des Verlags Éditions Rencontre Lausanne lesen durfte. In den kommenden Monaten folgen weitere SF-BUCH-TIPPS von mir aus dieser Zeit.

In diesem Sinne Ihr Rainer W. Sauer

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