Helmut Lindner mit Haberkorn / Moltzen / Offelmann: „TT Programm Bruchrechnen“

Ende der 1960er Jahre absolvierte ich in meiner Heimatstadt ein zweijähriges Gastspiel auf der „Rudolf-Koch-Schule“, einem Gymnasium direkt neben dem Isenburger Schloss und der Hochschule für Gestaltung. Dabei legte uns Herr Paridon im Mathe-Unterricht speziell dieses Buch aus dem Stutgartes Ernst Klett Verlag ans Herz, das ich hassen lernte, denn ich kam mit ihm einfach nicht zurecht. Allein die Rekapitulation des Buchtitels in meinem Denkzentrum ließ mich dreißig Jahre lang schaudern, bis ich, inspiriert durch die Intentionen Vera F. Birkenbihls, meinen Fokus auf den Titelbestandteil „Programm“ lenkte. „Die hatten damals also tatsächlich eine Art Programm für mich“, so meine Gedanken, denn mein sehnlichster Wunsch als kleiner Junge war es, am Apollo-Raumfahrtprogramm teilnehmen zu dürfen.

Ich informierte mit mit drei JAhrzehnten verspätung und mit einem Mal macht es „klick“ in meinem Kopf: der Klett-Verlag hatte in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre ein eigenes Referat für „Programmierten Unterricht“ ins Leben gerufen, in dessen Folge 1966 Linderns Buch zum Bruchrechnen erschienen war – das „TT“ stand dabei für „Tutor Text“. Bayern hatte 1968 einvGymnasium in Erlangen zu einer Versuchsschule für Mathe-Programmunterricht bestimmt und Waldemar Hofmann zum ersten Landesbeauftragten für „Programmierten Unterricht im Fach Mathematik“.

Nach ersten Versuchen mit Buchprogrammen am Gymnasium bei St. Anna Augsburg zu Beginn der 1960er Jahre erstellte dieses 1965 ein Lehrerheft, in welchem ein überzeugender Einstieg in die Auseinandersetzung mit dem Programmierten Unterricht vermittelt wurde – (Zitat): „In erster Linie ist das Programm für den Klassenunterricht in Anwesenheit des Fachlehrers gedacht. Es ist eine Unterrichtshilfe wie Schulfilm, Schulfunk, Lichtbild, Tonband.“ Und weiter heißt es: „Programmierter Unterricht dient wie diese dazu, den Unterricht abwechslungsreicher zu gestalten. Für die Schüler ist es eine Schulung zum selbständigen Aneignen eines Stoffes, zum genauen Lesen eines Textes, zum konzentrierten Arbeiten. Der Lehrer kann sich, während die Klasse mit einem Programm arbeitet, einzelnen, besonders schwächeren Schülern widmen und besser als sonst deren Wissenslücken feststellen und beheben, oder er kann auch auf weiterführende Fragen guter Schüler eingehen, ohne die übrige Klasse bei der Arbeit aufzuhalten.“ Schade, dass ich davon nichts mitbekam, obwohl das „TT Programm Bruchrechnen“ alles enthielt, was mein Lernen besser hätte gestalten und interessanter hätte werden lassen können (inklusive eines Elternbegleitheftes plus eines Vorworts „für den Schüler„, in dem im Grunde alles erklärt wurde.

Doch weshalb funktionierte bei einem Sextaner wie mir die Idee, auf programmierte Art und Weise auch weniger begabten SchülerInnen die Möglichkeit zu eröffnen, den Stoff in derem eigenen Tempo zu erarbeiten, nicht? Es ging ja beim „TT“-Programm gerade darum, beim Lernen nicht „auf der Strecke“ bleiben zu müssen. Ganz einfach: mir fehlte aus heuter Sicht eine Begleitung und sichere Wegweisung durch Lehrer-Kräfte. So erlente ich mit diesem Buch zwar das Bruchrechnen, aber interaktives eigenverantwortliches Arbeiten sowie Umgang mit den eigenen Ergebnissen blieb mir lange fremd. Erst drei Jahre später nach meinem Abgang auf die Realschule konnte ich die Lern-Typ-Defizite abbauen, was an meinen Leherinnen und Lehrern lag, die mir Lernen anders vermittelten als es auf dem Gymnasium der Fall war. Schade, dass Klett das Buch nicht mehr auflegt, denn (… davon gehe ich inzwischen ganz fest aus …) mit der richtigen Unterstützung auf der Oberschule, hätte ich ohne Druck und fast von allein mit dem „TT Programm Bruchrechnen“ arbeiten können.*


* = etwas anderes kam hinzu: Durch das bundesweite Experiment der Kurzschuljahre 1966/67 (= bei mir 1. April bis 30. November 1966 Klasse 2 und vom 1. Dezember 1966 bis 31. Juli 1967 Klasse 3) fehlten mir und vielen anderen Schulkindern wesentliche Lernansätze, die aufgrund der Zeitdefizite sozusagen übersprungen wurden. Lesen Sie zum Thema auch DIESEN Artikel!

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